Freitag, 21. September 2007

Zwischenbilanz

Die Verlegung des Berliner Finanzgerichts Anfang 2007 nach Cottbus entwickelt sich immer mehr zu einem politischen Desaster.

Führende Berliner Politiker, wie Wowereit und Wolf, die 2004 maßgeblich die Fusion des Berliner und des Brandenburger Finanzgerichts mit Sitz in Cottbus vorangetrieben haben, distanzieren sich heute von ihren damaligen politischen Entscheidungen.
Wolf spricht sogar von einem "Faulen Kompromiss"

Immer mehr Bürger, Organisationen, Vereine und Verbände, wie z.B. der Bund der Steuerzahler, laufen Sturm gegen die politische Entscheidung, durch die das Berliner Finanzgericht Anfang 2007 nach Cottbus verlegt wurde.

In der Praxis zeigt sich jetzt, welche enorme Nachteile Berliner Bürger in Kauf nehmen müssen, wenn sie ihren staatlich garantierten Rechtsschutz in Anspruch nehmen wollen.
Viele werden auf ihren staatlich garantierten Rechtsschutz verzichten müssen, da der Aufwand und die Kosten nicht mehr in Relation zum Streitwert stehen.

Justizsenator Wolfgang Wieland:
Die Antwort des ehemaligen Berliner Justizsenators Wolfgang Wieland zu diesem Tehma auf Anfrage [27.09.2007]:

Sehr geehrter Herr Prehm,

ich freue mich über Ihre Frage, da ich als Justizsenator intensiv mit der Verlegung des gemeinsamen Finanzgerichtes nach Cottbus befasst war. Ich war mir mit dem damaligen Brandenburger Justizminister Schelter auf informellem Weg einig, dass nach einer besseren Lösung gesucht werden sollte, als ein in Wahrheit erstinstanzliches Gericht mit viel Personenverkehr unter der falschen Überschrift "gemeinsame Obergerichte" in den Süden des Landes Brandenburg zu verlegen.

Eine Zumutung ja nicht nur für die Berliner, sondern auch für die Menschen im nördlichen Teil Brandenburgs. Zu denken war auch an das nichtrichterliche Personal, die Anwälte, Steuerberater, ehrenamtlichen Richter.
Hinzu kam, dass das Finanzgericht Berlin zu den bestausgestatteten und am zügigsten arbeitenden Gerichten gehörte.Just dies wurde nun zerschlagen.
Meine Idee, Cottbus stattdessen zum Sitz des noch zu gründenden, gemeinsamen Verfassungsgericht eines fusionierten Landes zu machen, konnte ich wegen Beendigung meiner Amtszeit nicht weiter verfolgen.

In Brandenburg setzte sich wieder Prestigedenken durch. So kam es zu einer völlig bürgerunfreundlichen Lösung. Sie zu beenden, setzte eine Einsicht in Brandenburg voraus. Die kann ich leider zur Zeit nicht erkennen.

Mit freundlichem Gruß

Wolfgang Wieland


Link:
Frage I an Wolfgang Wieland
Frage II an Wolfgang Wieland




Auch Spitzenorganisationen melden sich zu Wort:
Auch der DBB, die Spitzenorganisation der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, stellt die Frage:
Bleibt das gemeinsame Finanzgericht Berlin-Brandenburg in Cottbus funktionsfähig?

Justizsenatorin Frau Schubert
„Bei Bedarf“ können auch Verhandlungen in Berlin geführt werden!
Wer die Tagesarbeit im Finanzgericht kennt, weiß, dass die Aussage der damaligen Berliner Justizsenatorin Frau Schubert im Parlament, dass „bei Bedarf“ Verhandlungen auch in Berlin geführt werden könnten, sehr praxisfern war und nur als Lippenbekenntnis [politische Unwahrheit? ->politische Lüge? ] zu werten ist.

Prof. Dr. Battis:
Auch die Aussage von Prof. Dr. Battis im Fachausschuss:

"Die Bürger von Pritzwalk und von Wittenberge fahren seit über zehn Jahren – wenn sie denn zum Finanzgericht fahren – nach Cottbus. Das ist ungefähr doppelt so weit wie von Berlin nach Cottbus. Bisher ist noch niemand in Deutschland auf die Idee gekommen, dass das verfassungswidrig sein könnte",

ist für die Berliner Bürger nur ein Hinweis darauf, dass man eine schlechte Position nicht verbessert wollte, sondern man hat eine gute Position einer schlechten Position anpassen.