Samstag, 3. Mai 2008

Zu der Antwort der Senatorin der Justiz Gisela von der Aue auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Uwe Götze vom 5. Februar 2008

16. Wahlperiode
Kleine Anfrage
des Abgeordneten Uwe Goetze (CDU)

Negative Erfahrungen mit dem gemeinsamen Finanzgericht in Cottbus?

Ich frage den Senat:
1. Hat der Senat über seine Ausführungen in der Drs. 15/2828 hinaus, es entstünde eine Mehrbelastung für Beteiligte an finanzgerichtlichen Verfahren, inzwischen konkrete Daten welche zusätzlichen durchschnittlichen Kosten (Arbeitsausfall, Reise, zusätzlicher Aufwand für Rechtsbeistand etc.) für einen Berliner Kläger durch die Verlagerung entstehen?

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Eine weitere Analyse zur kleinen Anfrage

Die Antwort zeichnet sich durch einen bemerkenswerten Mangel an Konkretheit aus, der den Schluss nahe legt, dass sich der Senat von Berlin für die durch die Sitzverlegung des Finanzgerichts nach Cottbus entstehenden Mehrbelastungen der Berliner Verfahrensbeteiligten nicht weiter in der Verantwortung sieht.
So räumt die Senatorin zwar Mehrbelastungen für die Berliner Verfahrensbeteiligten ein, sieht sich aber nicht in der Lage, diese auch nur ansatzweise durch konkrete Daten zu belegen. Der rechtfertigende Hinweis, dass es nur in einer begrenzten Anzahl der Verfahren zu einer mündlichen Verhandlung vor den Finanzgerichten komme, überzeugt nicht, da der Grundsatz der Mündlichkeit der Gewährung rechtlichen Gehörs dient und jedenfalls die Berliner Verfahrensbeteiligten von den Mehrbelastungen betroffen sind, die von diesem Recht auch Gebrauch machen wollen.

Ob die Zahl dieser Personen wirklich so gering ist, wie es die in der Antwort gewählte Formulierung einer „begrenzten Anzahl der Verfahren" suggerieren möchte, erscheint nicht zuletzt deshalb zweifelhaft, als unter Ziffer 2. der Antwort ausgeführt wird, dass das Finanzgericht Berlin-Brandenburg in "erheblichem Umfang" die Möglichkeit nutze, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mündliche Verhandlungen durchzuführen.

Inwieweit dabei die Nutzung des festen Saals im Gerichtsgebäude in der Hardenbergstraße auch den Rechtsschutzsuchenden zugute kommt, die sich aus finanziellen Gründen weder einen Rechtsbeistand noch eine Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung in Cottbus leisten können, lässt die Antwort offen. Dass dieser Personenkreis die Vorteile einer modernen Videokonferenzanlage zur Durchführung mündlicher Verhandlungen, über die das Land Berlin-Brandenburg seit November 2007 verfügt, beanspruchen kann, ist im Hinblick darauf, dass sich die Gegenstelle in den Räumlichkeiten der Steuerberaterkammer in Berlin befindet, kaum anzunehmen. Abgesehen davon vermag dieser "technische Weg" eine herkömmliche mündliche Verhandlung nicht zu ersetzen und stellt in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht eine Ausnahme dar.

Die Antwort auf die Frage nach der Entwicklung der jährlichen Kosten seit der Verlagerung des Finanzgerichts nach Cottbus geht schon deshalb an der Fragestellung vorbei, da die Jahresabschlusszahlen nur für die Jahre 2002 bis 2006 genannt werden. Soweit man diesen einen Aussagewert entnehmen kann, dann den, dass bereits vor der Gerichtsverlagerung erhebliche Einsparungen erreicht wurden, was insbesondere die Reduzierung des jährlichen Negativsaldos von 2 866 876,91 EUR (2002) auf 1932 461,88 EUR (2006) verdeutlicht.
Das wirft zugleich die Frage nach weiteren durch die Gerichtsverlagerung erzielten bzw. erzielbaren Kosteneinsparungen und damit nach der Legitimation der Gerichtsfusion unter Effizienzgesichtspunkten auf, die unbeantwortet bleibt. Zumindest die dargestellten, nach Funktionen differenzierte Personalbestände vor und nach der Gerichtsverlagerung lassen gewichtige Einsparungen in keinem Fall erkennen.

Insgesamt zeigt die Antwort auf die Kleine Anfrage, dass die Verlagerung des Finanzgerichts nach Cottbus nicht dem Berliner Bürger dient, sondern dieser in Form der ihn unstreitig treffenden Mehrbelastungen den Preis für ein politisches Vorhaben bezahlen muss, das nicht durch Sachgründe, geschweige denn durch Sachzwänge veranlasst ist.


Verfasst von Karl Heinz Prehm und anderen.